„junge Welt“,
Wochenendbeilage, 08.02.2020
»Es ist ein Tag der Erinnerung,
kein Grund zum Feiern«
Ein Gespräch mit Karl Rehbaum,
Wolfgang Schmidt und Reinhard Grimmer über die Gründung des Ministeriums für
Staatssicherheit
Vor 70 Jahren, am 8. Februar 1950, wurde
das Ministerium für Staatssicherheit, kurz MfS, gegründet. Werden Sie den Tag
so begehen, wie am 7. Oktober 2019 der 70. Geburtstag der DDR gefeiert wurde?
Wolfgang Schmidt: Eine
große Feier wird es nicht geben, aber ein Kolloquium. Wir werden gemeinsam
unter anderem daran erinnern, dass an jenem Tag der DDR-Innenminister Carl
Steinhoff – bis zur Gründung der DDR demokratisch gewählter Ministerpräsident
des Landes Brandenburg – im Parlament das Gesetz begründete. Es war kurz und
hatte nur zwei Paragraphen: »1. Die bisher dem Ministerium des Innern
unterstellte Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft wird zu einem
selbständigen Ministerium für Staatssicherheit umgebildet. Das Gesetz vom 7.
Oktober 1949 über die Provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen
Republik wird entsprechend geändert. 2. Dieses Gesetz tritt mit seiner
Verkündung in Kraft.« Mehr nicht.
Reinhard Grimmer: Wilhelm
Zaisser, Spanienkämpfer mit dem Decknamen »General
Gómez«, wurde Minister, Erich Mielke sein Stellvertreter im Range eines
Staatssekretärs. Der ehemalige Spanienkämpfer Mielke – Deckname »Fritz Leissner« – war bis dahin Generalinspekteur der Hauptverwaltung
zum Schutz der Volkswirtschaft.
Karl Rehbaum: Die
Hauptverwaltung Aufklärung, kurz »HVA«, wurde erst später als Außenpolitischer
Nachrichtendienst gebildet, erster Chef war Anton Ackermann. Im Dezember 1952
übernahm Markus Wolf die Leitung.
Wie begründete Innenminister Steinhoff, ein
ehemaliger Sozialdemokrat, die Bildung dieses Ministeriums?
R. G.: Es
gab eine Vielzahl von Terroranschlägen, militante Angriffe auf staatliche
Einrichtungen, Spionage und Sabotage in der Wirtschaft. Vergessen wir nicht:
Weltkrieg und Nazidiktatur waren keine fünf Jahre vorüber, Deutschland geteilt
und Schlachtfeld des Kalten Krieges. Steinhoff sagte: »Die hauptsächlichsten
Aufgaben dieses Ministeriums werden sein, die volkseigenen Betriebe und Werke,
das Verkehrswesen und die volkseigenen Güter vor Anschlägen verbrecherischer
Elemente sowie gegen alle Angriffe zu schützen, einen entschiedenen Kampf gegen
die Tätigkeit feindlicher Agenturen, Diversanten, Saboteure und Spione zu
führen, unsere demokratische Entwicklung zu schützen und unserer demokratischen
Friedenswirtschaft eine ungestörte Erfüllung der Wirtschaftspläne zu sichern.
Zur Durchführung dieser Aufgaben bildet das Ministerium in den Ländern
Verwaltungen für Staatssicherheit, die dem Ministerium unmittelbar unterstellt
sein werden.« Und so ist es dann auch geschehen.
K. R.: Das Gesetz wurde einstimmig
angenommen.
W. S.: Um auf die Ausgangsfrage
zurückzukommen: Es ist ein Tag der Erinnerung, kein Grund zum Feiern.
Und wer erinnert sich da?
W. S.: Es gibt in der GRH – das ist
die »Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e. V.« – zwei
Arbeitsgruppen: die AG Sicherheit und die AG Kundschafter. In diesem Kreis
kommen regelmäßig ehemalige Mitarbeiter zusammen. Wir tauschen uns zu
bestimmten aktuellen Ereignissen aus, bereiten Publikationen vor, organisieren
Buchvorstellungen und andere Veranstaltungen. Es gibt vielleicht ein halbes
hundert Aktivisten. Dann engagieren sich ehemalige Angehörige des MfS auch bei
der »Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger
Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR«, kurz ISOR e.
V., und ähnlichen Organisationen und Gruppen.
R. G.: Aber wie überall lichten sich
auch unsere Reihen. Von den zwanzig Autoren zum Beispiel, die um die Jahrtausendwende
den Zweibänder »Die Sicherheit. Zur Abwehrarbeit des MfS« erarbeiteten, haben
wir bereits mehr als die Hälfte verloren.
Ist das eine Erklärung dafür, dass es
vergleichsweise ruhig um das MfS geworden ist?
K. R.: Wenn ich ins Fernsehen und in
die Programmillustrierten schaue, habe ich diesen Eindruck ganz und gar nicht.
Selbst in Gegenwartsfilmen findet man oft einen konstruierten, abstrusen
Stasi-Bezug. Vornehmlich in den dritten Programmen wiederholen sie immer wieder
Dokumentar- und Spielfilme mit MfS-Themen.
W. S.: Die »Aufreger« nehmen in der
Tat ab. Das Thema »Stasi« ist ziemlich ausgelutscht. Der letzte »Skandal« war
die Enttarnung des neuen Eigentümers der Berliner Zeitung. Wobei wohl weniger
dessen kurzzeitige IM-Tätigkeit in der NVA für die gewohnt hysterische
Schnappatmung sorgte, als vielmehr die Tatsache, dass er für Egon Krenz
freundliche Worte fand und ihm dafür dankte, im Herbst 1989 für Gewaltlosigkeit
in der DDR gesorgt zu haben. Die »Aufarbeiter« müssen
sich zunehmend selbst die Anlässe schaffen, mit denen sie sich ins Gespräch
bringen. Wie etwa der jüngste Vorschlag von Roland Jahn, dem Chef der BStU (»Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen
des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik«,
jW), eine Kennzeichnung der Doktortitel vorzunehmen.
R. G.: Weil sie uns den Doktortitel
nicht aberkennen können, sollten wir als »Doktor der Stasi« gekennzeichnet
werden. »Das wäre dann echte Transparenz«, begründete Jahn seinen Vorschlag
gegenüber der dpa.An der
Juristischen Hochschule in Potsdam-Eiche seien 174 Promotionen erfolgt, an
denen 485 Autoren beteiligt waren.
Und wie sieht es beim Thema Datenschutz aus?
Wie zu hören war, waren Sie drei sowie der Vorsitzende der »Gesellschaft zur
Rechtlichen und Humanitären Unterstützung«, Hans Bauer, bei Jahn zum Gespräch
in der Bundesbehörde.
W. S.: Aber nicht wegen der Titelei.
Diesen Vorschlag platzierte Jahn geschickt in die nachrichtenarme Zeit zwischen
Weihnachten und Silvester 2019. Da lag allerdings, was sich der Medienprofi
eigentlich hätte denken können, der Kalauer auf der Zunge: eine Schnapsidee.
Aber immerhin: Jahn hatte mal wieder Presse.
R. G.: Wir vier hatten ihm bereits
im Juni 2018 geschrieben und 21 Fragen zur Arbeit der BStU
gestellt. Diese Fragen schickten wir auch an über zweihundert Personen,
darunter an Staatsministerin Monika Grütters, an Ausschussvorsitzende im
Bundestag und Chefs von Institutionen der Aufarbeitungs- und
Erinnerungsindustrie sowie Zeitungsredaktionen. Die Reaktion war gleich null.
Lediglich die junge Welt griff die Fragen auf. Die anderen hatten inzwischen
die Ignoranz als schärfste Waffe in der Auseinandersetzung mit uns erkannt.
Was waren das für Fragen?
R. G.: Wir wollten Auskünfte zum
Selbstverständnis der Behörde. Zum Beispiel erhielt die Ludwigsburger
»Zentralstelle für die Aufklärung der NS-Verbrechen« in den 31 Jahren ihrer
Existenz soviel Geld, wie die BStU
in nur vier Monaten ausgibt. Wie man dieses merkwürdige Ungleichgewicht
beurteile und erkläre, fragten wir. Oder warum nie Richtigstellungen erfolgten,
wenn öffentlich erhobene Anschuldigungen gegen ehemalige Mitarbeiter des MfS
oder krude Behauptungen sich als nachweislich falsch herausstellten. Wir
stellten auch rhetorische Fragen, wie die nach der Öffnung der Archive
westdeutscher Geheimdienste, was wir mit Hinweis auf Hans Modrow und dessen
erfolgreiche Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht begründeten. Modrow war
seit den fünfziger Jahren bis 2012 von BND und Verfassungsschutz ununterbrochen
bespitzelt worden. In der Verhandlung in Leipzig hatten die BND-Vertreter zum
Beispiel den Namen eines in den frühen sechziger Jahren verstorbenen V-Mannes
mit Hinweis auf den Datenschutz verschwiegen. Der auf Modrow angesetzte Mann
habe schließlich Kinder und Kindeskinder, die geschützt werden müssten, hieß es
damals. Bei Namen und Biographien von Ostdeutschen, die auf die eine oder
andere Art mit dem MfS zu tun hatten, übt man solche Zurückhaltung nicht. Diese
Personen stellt man nach wie vor ungeschützt an den Pranger. Haben die etwa
keine Angehörigen? Solche Fragen stellten wir. Die Antwort: Schweigen im Walde.
W. S.: Dann kam die telefonische
Einladung aus der BStU. Damit wurde uns signalisiert,
dass man unsere Fragen nicht zu beantworten gedachte und das Thema mit einem
Kaffeeplausch aus der Welt schaffen wollte.
K. R.: Mir stieß besonders übel auf,
dass sich Jahn geradezu anbiederte. In seiner Jugend sei er ja auch mal links
gewesen. Er sei mit Hans Modrow im Gespräch wegen dessen Akten. Und er sei
immer für ein Gespräch offen, weil er lieber miteinander statt übereinander
rede.
Worüber wurde im einzelnen mit Jahn gesprochen?
K. R.: Im wesentlichen sprach nur einer. Wir hörten zunächst
einen etwa einstündigen Vortrag über die Vorzüge der Demokratie und Menschenrechte.
Wenn wir unsere Situation verbessern wollten, dann müssten wir eben um
demokratische Mehrheiten kämpfen, um dies zu ändern.
W. S.: Wir wurden von Jahn belehrt,
mit dem erkennbaren Ziel, Antworten auszuweichen. Ich habe daher explizit
nachgefragt, ob wir mit einer schriftlichen Antwort auf unsere 21 Fragen
rechnen könnten. Das sei nicht üblich, sagte er.
R. G.: Er hat uns empfangen und
unbefriedigt entlassen. Erwähnenswert war allenfalls die Atmosphäre: Sie war
keineswegs giftig oder aggressiv.
W. S.: Nein, sogar ungewohnt
sachlich. Betont höflich. Das kann man in einem solch unverbindlichen Gespräch
auch sein – es hat ja keine Konsequenzen.
Ist Jahn jemals öffentlich auf dieses Treffen
zu sprechen gekommen?
W. S.: Nach unserer Kenntnis nicht.
Das ist aber auch nicht verwunderlich: Die Antworten auf unsere Fragen wären
eine Selbstentlarvung, deshalb müssen sie totgeschwiegen werden. Es geht doch
im gleichen Stil weiter. Sie stellen den bisherigen Umgang mit dem MfS nicht in
Frage und werden es trotz Eingliederung der »Stasi-Unterlagen« ins Bundesarchiv
auch künftig nicht tun. Ähnlich verhält es sich mit der Verlängerung der
Überprüfung auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für das MfS bis
Ende der dreißiger Jahre bei Bewerbern im öffentlichen Dienst und
Mandatsträgern. Das stärke, so Staatsministerin Grütters, »das Vertrauen der
Bürgerinnen und Bürger in öffentliche Institutionen und in die Integrität von
Personen, die in politisch oder gesellschaftlich herausgehobenen Positionen
tätig sind«. Das nennt man wohl Realitätsverlust.
R. G.: Oder nehmen wir den aktuellen
Koalitionsvertrag in Thüringen, da gehen Linke, Sozialdemokraten und Grüne
sogar noch weiter. Es heißt da: »Die Parteien verständigen sich darauf, nicht
mit Organisationen, die das DDR-Unrecht relativieren, zusammenzuarbeiten. Die
Koalition wird keine Personen, die direkt oder indirekt mit dem
Sicherheitssystem der DDR zusammengearbeitet haben, in Positionen dieser
Regierung entsenden.« Als ließe sich durch ein solches Geschwurbel die
verlorene Glaubwürdigkeit der Parteien wiederherstellen.
K. R.: Das Ärgerliche dabei ist,
dass die Rechten davon profitieren.
Ihre Arbeitsgruppen versuchen, die Ignoranz
bürgerlicher Medien zu unterlaufen, indem Sie selbst publizieren, Bücher
schreiben und verbreiten. Dazu betreiben Sie auch Internetseiten wie
mfs-insider.de oder kundschafter-ddr.de. Wie fällt Ihre Bilanz diesbezüglich
aus?
R. G.: Also in aller Bescheidenheit:
Wir haben in den dreißig Jahren fast eine ganze Bibliothek publiziert. Das wohl
wichtigste Werk waren die beiden 2002 verlegten und bereits erwähnten Bände
»Die Sicherheit«. Das Buch erlebte mehrere Auflagen und ist auch elektronisch
auf unserer Seite abrufbar. Allein von 2017 bis 2019 gab es dort 19.365
Zugriffe. Gefolgt von den beiden Bänden »Unbequeme Zeitzeugen« mit jeweils über
18.000. Die größte Resonanz gibt es weiterhin bei dem von Werner Großmann und
Wolfgang Schwanitz herausgegebenen Buch »Fragen an das MfS. Auskünfte über eine
Behörde«, das 2010 erstmals erschien. Und ich erinnere an die vielen Bücher und
Videos, die Herbert Kierstein (1938–2017, jW) hinterlassen hat.
K. R.: Nicht zu vergessen Gotthold
Schramm (1932–2018, jW) und Klaus Eichner, die nicht
nur selber publizierten und Sammelbände herausgaben, sondern ganze Reihen
entwickelten, so etwa die acht Bände zur Geschichte der »HVA« und die
Porträtserie über einzelne Kundschafter. Und ich verweise auf die
internationalen Konferenzen in Berlin 1994 (»Duell im Dunkeln«, jW) und 2004 (»Spionage für den Frieden«, jW) sowie im dänischen Odense 2007 (»Hauptverwaltung A.
Geschichte, Aufgaben, Einsichten«, jW), die ebenfalls
publizistisch von uns begleitet wurden. Im Durchschnitt besuchen täglich 144
Interessenten unsere seit 2013 geführte Seite. Die Besucher leben überall auf der
Erde. Aus Israel meldeten sich über tausend, aus Indien fast dreitausend, aus
den USA an die zwanzigtausend Nutzer.
Wie viele Veranstaltungen haben Sie mit den Büchern gehabt?
K. R.: Im Unterschied zu Reinhard
habe ich keine Statistik geführt. Es waren aber einige Lesungen.
R. G.: Allein mit Titeln aus dem
Abwehrbereich bestritten wir bundesweit etwa nahezu vierhundert
Veranstaltungen, darunter ziemlich große in Bochum und Dortmund. Die
Besucherzahlen variierten. Aber insgesamt haben wir einige zehntausend Menschen
erreicht.
W. S.: Unter den Besuchern waren am
Anfang auch reichlich Provokateure oder selbsternannte Opfer. Ich erinnere mich
an einige lautstarke Buchpremieren in der jW-Ladengalerie.
Aber die Brüller, die uns Geschichtsklitterung und -revisionismus vorwarfen –
ausgerechnet die! –, wurden irgendwann ihres eigenen Geschreis müde und
erschienen bald nicht mehr.
K. R.: Das Kuriose war: Sie störten
nur, wenn ein Buch von der Abwehr vorgestellt wurde. Bei »HVA«-Themen blieben
sie fern.
R. G.: In der letzten Zeit waren wir
mit dem Band von Dieter Skiba und Reiner Stenzel »In Namen des Volkes.
Ermittlungs- und Gerichtsverfahren in der DDR gegen Nazi- und Kriegsverbrecher«
unterwegs. Der Kampf gegen Faschismus, Antisemitismus, Rassenhass und Fremdenfeindlichkeit
war ein wesentliches Element der Tätigkeit des MfS. Mit diesem Buch und zu
diesem Thema hatten wir bisher vierzig Veranstaltungen.
W. S.: Nicht zu vergessen der im
Vorjahr erschienene Gesprächsband mit Heinz Engelhardt »Der letzte Mann«. Der
Generalmajor wickelte bekanntlich im Frühjahr 1990 das vormalige MfS ab.
Engelhardt beendete quasi die Geschichte des
MfS, die am 8. Februar 1950 ihren Anfang genommen hatte.
R. G.: In diesem Kontext sehe ich
auch das Buch von Peter-Michael Diestel. Der Expolitiker der CDU behandelt das
MfS darin wohltuend sachlich. Das passt natürlich nicht in den Mainstream.
Dieser Tage besprach in seiner ARD-Sendung »Druckfrisch« der Literaturkritiker
Denis Scheck den Titel pflichtschuldig, weil Diestels Buch auf Platz 10 der
Spiegel-Bestsellerliste stand. »Der letzte Innenminister der DDR ist heute als
Anwalt tätig. Ich vertraue Historikern mehr als Zeitzeugen, aber bereichernd
und horizonterweiternd sind Diestels Schilderungen der Jahre der
Wiedervereinigung aus ostdeutscher Sicht allemal – auch wenn man manche
kalkulierende Provokation auszuhalten hat, zum Beispiel in Sätzen wie: ›Auf der
anderen Seite werden, angeblich um der historischen Gerechtigkeit willen, Jahr
um Jahr Millionen ausgegeben, um die Schnipsel in der Stasi-Unterlagenbehörde
zusammenzuleimen, nur um in Erfahrung zu bringen, wie der Speiseplan in der
Betriebskantine in der Berliner Normannenstraße oder die Anweisung zum
Entfernen von Hundescheiße an der Protokollstrecke ausschaute.‹ Ich glaube, die
vielen tausend Stasi-Opfer werden die Arbeit der Behörde des Bundesbeauftragten
für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR anders bewerten.« Aber
immerhin: Im Unterschied zu anderen rezensierten Büchern, die er mit spitzen
Fingern in die Tonne warf, legte Scheck Diestels Buch respektvoll wieder ins
Regal.
K. R.: Diestel hat doch recht: In
den Säcken ist wirklich nur Müll. Die »heißen Dokumente« und sensationellen
IM-Berichte, die man unter diesen Schnipseln zu finden hofft, gibt es dort
gewiss nicht.
W. S.: Ich glaube, dass der
Unterhalt der Behörde und die Aufwendungen für die anderen Einrichtungen der
Aufarbeitungsindustrie inzwischen mehr Steuergeld verbraucht haben, als das
ganze MfS in den vierzig Jahren seiner Existenz kostete. Möglicherweise sehen
das »die vielen tausend Stasi-Opfer« vielleicht inzwischen auch so.
Das Gespräch führte Frank Schumann